Die Geschichte von Johannes

 

Dem Pfarrer in einer kleinen Dorfkirche fiel ein alter, bescheiden wirkender Mann auf, der jeden Mittag um Zwölf die Kirche betrat, sich einen kurzen Moment vor das Kruzifix stellte und die Kirche nach einer Minute wieder verließ. Diese ungewöhnliche Art machte den Pfarrer neugierig, so passte er den Alten eines Tages ab, um ihn zu fragen, was er denn da immer in der Kirche tue. Dieser antwortete ihm: „Ich gehe hinein, um zu beten.“ Das verwunderte den Pfarrer und er erwiderte: „So ein kurzes Gebet gibt es nicht.“ Der Alte sagte: „Ich kann kein langes Gebet sprechen, aber ich komme jeden Tag um zwölf Uhr und sage: „Jesus, hier ist Johannes.“ Dann warte ich einige Augenblicke und er hört mich“.

 

Einige Zeit später musste Johannes ins Krankenhaus. Ärzte und Schwestern stellten bald fest, dass er auf die anderen Patienten eine heilsame Wirkung hatte. Die Nörgler nörgelten weniger und die Traurigen konnten wieder lachen. „Johannes“, bemerkte die Stationsschwester irgendwann zu ihm, „Alle sagen, du hast diese Veränderung bewirkt. Immer bist du gelassen, fast heiter.“ „Liebe Schwester“, meinte Johannes, „dafür kann ich nichts. Das kommt durch meinen Besucher.“ Doch niemand hatte bei ihm je Besuch gesehen. Er hatte keine Verwandten mehr und auch keine engeren Freunde. „Deinen Besucher“, fragte die Schwester, „wann kommt der denn?“, „Jeden Mittag um Zwölf. Er tritt ein, steht am Fußende meines Bettes und sagt:

„Johannes, hier ist Jesus.“

  

(Verlag Andere Zeiten e.V., Hamburg 2009)



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